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Sachsen im Lockdown


Liebe Freunde der unbequemen Unterhaltung, liebe Mitmenschen –

Veranstaltungs-Lockdown in Sachsen!

Der angekündigte „Wellenbrecher“, den unser Ministerpräsident gefordert hatte, wurde nun für die nächsten drei Wochen installiert. Es hatte sich ja angebahnt – die steil ansteigende Infektionskurve, die kaum mehr zählbaren Impfdurchbrüche, die nahende Überbelegung der Krankenhauskapazitäten, dazu noch wachsende Krankenstände allerorten, Quarantänemaßnahmen … und der Versuch, der Lage mit stets aktualisierten Regelungen Herr zu werden - nicht wenige Menschen warteten wahrscheinlich schon: „Wann kommt er denn endlich, der nächste Lockdown?“

Nun soll das öffentliche Leben wieder weitestgehend eingeschränkt werden und im Zuge dessen schließen auch die Kultureinrichtungen, um Kontakte zu reduzieren. Darin scheinen wir mittlerweile geübt: im Einhalten von Regeln, in der Kunst des Abstandhaltens, in den Routinen von Safety and Health first. Viele Zeitgenossen zermürbt und ermüdet die anhaltende Virus-Präsenz. An die „Krise als Chance“, wie es noch im Frühjahr 2020 in ganz Deutschland zu hören war, will wohl noch kaum jemand glauben. Möge das doch alles endlich ein Ende nehmen, mögen wir doch wieder zurückkommen in den sogenannten „normalen“ Gang der Dinge.

Aber was soll das sein – der normale Gang der Dinge?

Anscheinend haben wir verlernt, zu leben mit dem, was uns begegnet und die Rahmenbedingungen unseres Daseins vorgibt, Entscheidungen zu treffen - und vor allem zu erkennen, woran wir unsere Entscheidungen messen sollen/können/dürfen und was wir mit unseren Entscheidungen auslösen.

Es ist natürlich das Bequemste, wenn andere für einen entscheiden, damit kann man die Verantwortung wunderbar abgeben. Man kann folgen, ohne zu hinterfragen. Man kann auch folgen und maulen. Man kann auch über die Entscheidungen anderer schimpfen, oder sie verteidigen und im jeweils zutreffenden Arsenal der Internetverlautbarungen seine Argumente für und wider zusammensammeln und sie als Munition zur Verteidigung oder zur provokanten Attacke in die Welt ballern.

Die Lage ist weitaus komplexer als vor einem Jahr, die Handlungsmaximen so vielfältig wie eine Farbpalette. Verwirrung, Unmut, Erschöpfung und Genervtheit aller Orten …

Wir haben bereits hinter uns:

Eine erste Welle, in der das Ganze für viele noch ein interessantes Abenteuer war. Gerade die Theater machten bereitwillig die Tore zu und riefen ihrem Publikum zu: „Stay home. Stay save“ – allein das schon verbuchte man sich als Akt der Solidarität.

Man blieb halt Zuhause (wenn auch nicht in allen Branchen). In den Baumärkten deckten sich die Menschen mit Renovierungsutensilien und Gartenzubehör ein. Man werkelte ein Frühjahr lang, legte Gemüsebeete an, als Künstler durfte man Denkzeit haben und bekam dafür ein Stipendium, oder takecare sorgte sich um die Künstler, die nun faktisch Auftrittsverbot hatten. Ja, man vergaß auch nicht die Menschen in den Flüchtlingslagern, der Slogan „leave no one behind“ sollte die Politiker mahnen, auch in engen Auffanglangern für Infektionsschutz zu sorgen.

Alle gaben irgendwie aufeinander acht, in der Krise wollte man die Chance sehen: Fürs Innehalten, für die Besinnung auf das Wesentliche, für Konsumverzicht, für weniger Flugverkehr, für mehr Zeit für die Familie, ja – für das Weltklima …